Agrarwende jetzt!

Das kleine Einmaleins der Landwirtschaft: wie Bäuer*innen das Klima beeinflussen, warum sich eine ganze Branche auf den Wandel einstellen muss, was Fridays for Future jetzt fordert und wie das alles zusammenhängt – das und noch einiges mehr erklären wir in diesem Text.

Woran denkst du, wenn du das Wort „Landwirtschaft“ liest? An einen idyllischen Bauernhof mitten im Schwarzwald? Oder an einen industriellen Mastbetrieb im Münsterland?

Beide Formen kommen so in Deutschland vor und ich denke wir sind uns einig, dass man auf letztere verzichten kann und muss, aber jenseits dieser Beispiele kursiert in einigen Köpfen ein völlig falsches Bild von der Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft ist nämlich ein ziemlich einzigartiger Wirtschaftszweig, weil sie einerseits einen erheblichen Teil zum Anheizen der Klimakrise beiträgt, andererseits aber auch direkt von den klimatischen Veränderungen und Extremwetterereignissen betroffen ist. Gleichzeitig wird oft vergessen, dass durch geeignete Bodenmanagement ein riesiges Potential zur Bindung von CO2 aus der Atmosphäre im Boden besteht und zwar durch den Aufbau von Humus, also fruchtbarer Erde.

Nun erst mal zu den Basics: Der Anteil der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft betrug 2021 laut Umwelt-Bundesamt 8% an den Gesamtemissionen in Deutschland. Je nach dem, welche teils vorgelagerten Prozesse noch dazu gezählt werden, z.B. die energiereiche Herstellung von Mineraldünger, kommen andere Berechnungen auf einen deutlich höheren Prozentsatz.

Ein großer Teil dieser Emissionen entsteht durch die Tierhaltung, da vor allem Wiederkäuer wie Rinder oder Schafe aufgrund ihrer Verdauung Methan ausstoßen. Aber auch die nicht fachgerechte Lagerung und Ausbringung von Gülle trägt zur Bildung von klimaschädlichen Stickoxiden und Lachgas bei. Es gibt zwar Regelungen, die in den letzten Jahren auch stark nachgebessert wurden und z.B. das Ausbringen von Gülle nur noch bodennah erlauben, aber wird an einem wolkenlosen Tag über Mittag Gülle gefahren, entweichen doch die meisten Stickstoffverbindungen in die Luft. Ebenso entstehen Treibhausgase durch den Abbau von Humus , also wenn z.B. Wiesen zu Ackerland umgepflügt werden oder Äcker nicht dauerhaft begrünt sind.

Es ist also ersichtlich, dass die Landwirtschaft ein riesiges Problem verursacht, in dem sie aber schon jetzt tief drin steckt. So gab es in Deutschland 2018 bis 2020 drei Jahre hintereinander viel zu trockene Sommer, von denen sich mancherorts die Böden bis heute nicht erholt haben. Dürresommer führen zu Missernten und die wiederum zu steigenden Preisen bis hin zu Nahrungs- oder Futtermittelengpässen. Dabei können die Missernten in Deutschland moderat genannt werden, verglichen mit den Totalausfällen in einigen MAPA-Staaten (MAPA = Most Affected People and Areas), wie aktuell in Somalia, wo es seit zwei Jahren nicht mehr geregnet hat.

Da es Banken erlaubt ist mit Lebensmitteln zu spekulieren und Landwirt*innen vom Verkauf ihrer Ernte durch Zwischenhändler oder Discounter leben, bleibt wenig Spielraum, wenn es um die Gestaltung der Preise geht, zu denen sie verkaufen. So kommt es immer wieder vor, dass z.B. Tiere und Ernteerzeugnisse, wie Kaffee, unter ihrem Erzeugungswert verkauft werden müssen, was bedeutet, dass Landwirt*innen am Ende sogar noch draufzahlen. Dies trifft vor allem die Kleinbäuer*innen vor Ort und weltweit.

Und dann ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn Landwirt*innen vermehrt unter Burn-Out leiden oder die Suizidrate innerhalb dieser Berufsgruppe auffällig hoch ist. Denn neben dem Preisdruck und der Wetterunsicherheiten sehen sich Bäuer*innen zunehmend einem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt und in der Zwickmühle zwischen Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit. Die Umwelt- und Tierschutzauflagen werden immer strenger, was aus klimatechnischer Sicht absolut notwendig ist, doch weil die Umsetzung dieser Auflagen oft den Ertrag mindert, aber die Preise nicht dementsprechend angepasst werden verstärkt das die finanzielle Not der Höfe.

Zudem tritt häufig das Phänomen auf, dass im gesellschaftlichen Diskurs konventionelle Landwirt*innen gegenüber biologisch wirtschaftenden ausgespielt werden. Vor allem die konventionellen Bäuer*innen beklagen, dass sie oft als die „bösen Naturzerstörer*innen“ dargestellt werden, den Bio-Bäuer*innen dagegen viele politischen Entscheidungen nicht weit genug gehen und sie zu wenig Unterstützung für die angestrebte Agrarwende bekommen.

Das Problematische daran ist, dass vor allem großindustrielle Betriebe und Hersteller von Dünge- und Spritzmittel von diesen Lagerkämpfen profitieren. Denn bisher richten sich die meisten Subventionen aus der Politik an große Betriebe. An eben jene, die am meisten zu den Emissionen in der Landwirtschaft und zur Zerstörung von Ökosystemen beitragen.

Denn die Klimabilanz eines Betriebs hängt nicht nur vom Bio-Siegel ab, sondern viel mehr bei der Umsetzung der Methoden. Daher können konventionelle Kleinbäuer*innen eine sehr gute Klimabilanz haben. Würden sich also die Kleinbäuer*innen insgesamt zusammenschließen könnten sie gemeinsam viel mehr Druck aufbauen als bisher, gegen die Agrarkonzerne und gegen politische Entscheidungen, die kleine Betriebe schwächen.

Eine angestrebte Agrarwende bedeutet also nicht zu fordern, dass alle Betriebe sofort auf Bio umzustellen (wir wollen mehr Bio, das ist klar, aber 100% Bio ist momentan utopisch). Wir müssen eher politische Entscheidungen fordern, die Kleinbäuer*innen zugutekommen. Und das gilt auch wieder lokal, sowie global, da die meisten Lebensmittel noch immer in kleinbäuerlichen Strukturen produziert werden.

Ganz konkret bedeutet das, dass finanzielle Subventionen an Umweltschutzmaßnahmen gekoppelt werden statt an die Flächenanzahl. Hier zeigt die Regierung auch schon kleine Schritte in die richtige Richtung, aber noch immer profitieren große Betriebe mit viel Fläche stärker von den Subventionen, als kleinere.

Ein weiterer wichtiger Schritt hin zur Agrarwende ist die massiver Reduktion unseres Fleischkonsums. Denn wie schon oben genannt, ist die Tierhaltung für beträchtliche Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und da viele Tiere mit hochwertigem Getreide gefüttert werden, werden viel zu viele Flächen zum Futtermittelanbau genutzt, anstatt für menschliche Nahrung. Daher fordern wir von Fridays for Future zusammen mit den Scientists for Future eine Halbierung des Fleischkonsums bis 2035.

Um dies zu erreichen, muss die Politik einen Rahmen vorgeben, der die Tierzahlen an die Fläche bindet. Das würde dazu führen, dass industrielle Tierhaltung, geballt auf eine Region, wie wir es in Teilen NRWs und Niedersachsen haben, nicht mehr in dem Maß , in dem wir es gerade sehen, möglich wäre. Konkret fordern wir eine gesetzliche Begrenzung auf 2,5 Großvieheinheiten pro Hektar Fläche, wobei Großvieheinheiten das Maß ist, mit dem verschiedene Tierarten in Relation gesetzt werden. Die Tierhaltung muss dabei artgerecht und stets an das Tier angepasst werden und nicht andersherum.

Weniger Tiere bedeutet zudem, dass das Futter regionaler angebaut werden kann, bestenfalls auf dem eigenen Betrieb und die Gülle auf diesen Flächen wieder ausgebracht wird. Dieses Prinzip nennt man Kreislaufwirtschaft.

Auch muss es von der Politik mehr finanzielle Anreize geben, den Boden schonender zu bearbeiten, weniger Pestizide einzusetzen und Maßnahmen zur Förderung von Biodiversität, wie Blühstreifen oder Hecken, umzusetzen. Denn diese Maßnahmen sind oft nicht eine Frage des Wollens, sondern des Sich-Leisten-Könnens. Sie sind aber unverzichtbar, da ein Acker als funktionierendes Ökosystem atmosphärisches CO2 in Form von Humus bindet, der dann als stabile Schicht das Pflanzenwachstum fördert und gleichzeitig Treibhausgase bindet.

Doch weil die Politik sich bisher viel zu langsam bewegt und viel zu viel von der Agrarlobby beeinflusst wird, müssen wir gemeinsam mit den Landwirt*innen Druck aufbauen. Wir fordern eine massive Reduktion der Tierzahlen, eine Förderung von Umweltschutzmaßnahmen und dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft und dass natürliche CO2-Senken durch Humusaufbau und auch der Wiedervernässung von Moorflächen konsequent genutzt werden.

Die gesellschaftliche und finanzielle Wertschätzung der Landwirtschaft muss sich stärker auf ihren Beitrag zum Gemeinwohl fokussieren, nämlich Ernährungssicherung und Schutz unserer Ökosysteme. Deshalb brauchen wir eine Agrarwende und zwar jetzt.

Quellen:

Unsere Forderungen für die Landwirtschaft

Umweltbundesamt zum Beitrag der Landwirtschaft zur Erderhitzung

Statement der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)

La Via Campesina – International Peasants‘ Movement: More free trade will not solve the food crisis


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